Der Wendigo – Er lauert im Wald - Geister und Legenden (2024)

Der Wendigo ist eine der bekanntesten Indianerlegenden und einer meiner ältesten Beiträge. Viele kennen ihn als eine Art Hirschmensch mit Geweih und Fell. Diese Darstellung ist jedoch völlig falsch. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie es einer Legende schaden kann, wenn man sie abändert.

Eigentlich war für heute ein regulärer Beitrag geplant, ich war mit meinen Ideen für die Geschichte jedoch nicht wirklich zufrieden. Also habe ich beschlossen, mir mehr Zeit für die Planung zu nehmen und den Beitrag um zwei Wochen zu verschieben. Stattdessen habe ich meinen Beitrag über die Wendigowak für euch überarbeitet.

Viel Spaß beim Gruseln!

Triggerwarnungen (Achtung Spoiler!)

– explizite Darstellung von körperlicher Gewalt
– Blut
– Tod

Inhalt

Die Geschichte:

Ich drückte meiner Freundin gerade den sechsten Kuss auf den Mund, als hinter mir eine Hupe zu hören war.

„Rummachen könnt ihr noch genug, wenn wir zurück sind!“, rief Mike mir aus dem Auto zu.

Giwedi saß neben ihm am Steuer und grinste breit.

„Ich komm ja schon!“, rief ich, bevor ich wieder zu Sue sah. „Und du willst wirklich nicht mitkommen?“

Aber meine Freundin schüttelte den Kopf. „Ich stör doch nicht eure Männertour. Außerdem bin ich nicht so bekloppt, im Winter zelten zu gehen.“ Sie gab mir einen siebten und letzten Kuss, bevor sie mich sanft Richtung Auto stieß.

„He“, protestierte ich.

„Jetzt geh schon“, erwiderte Sue. „Ich bin auch noch da, wenn du zurückkommst. Und Lucas? Ich liebe dich.“ Sie schenkte mir ihr bezauberndes Lächeln. Dasselbe Lächeln, mit dem sie mich vor einigen Wochen vom Spielfeldrand angesehen hatte, kurz vor unserem ersten Date.

Ich lächelte zurück. „Ich liebe dich auch. Wir sehen uns Sonntag.“

Dann drehte ich mich um, stapfte durch den Schnee zum Auto, verstaute meine Tasche und stieg ein. Wir fuhren sofort los.

Einen Moment sah ich noch zurück, um Sue zu winken, bis ich mich schließlich Mike und Giwedi zuwandte. Mike und Giwedi … Meine besten Freunde seit der Highschool. Und das, obwohl wir unterschiedlicher nicht sein konnten.

Mike war der typische Nerd. Er hing die meiste Zeit am Computer, sammelte Comichefte und hatte eine beachtliche Sammlung Actionfiguren – seine ‚Rente‘, wie er sie scherzhaft nannte.

Ich hingegen war das, was die meisten wohl als ‚Jock‘ bezeichneten: sportlich, viele Muskeln und ehrlich gesagt nicht gerade der Schlauste. Aber das war mir egal. Dann schrieb ich eben nicht die besten Noten. Und ja, ohne mein Stipendium hätte ich es wahrscheinlich nicht auf die Uni geschafft. Aber dafür war ich glücklich. Ich liebte mein Leben, den Sport und natürlich meine Freundin.

Und dann war da noch Giwedi – oder Giiwedinikwe, wie er eigentlich hieß. Er stammte von den Ojibwa Indianern ab. Aus unserer kleinen Truppe war er der Bodenständigste. Er war immer auf alles vorbereitet, hatte Notfallpläne für seine Notfallpläne und behielt selbst in den merkwürdigsten Situationen einen kühlen Kopf. Das ausgerechnet auf diesem Campingtrip etwas so unvorstellbar Grausames passieren würde, dass selbst Giwedi damit überfordert war, hätte sich niemand von uns träumen lassen.

Dabei fing alles so gut an: Die Stimmung im Auto war ausgelassen. Obwohl wir über drei Stunden unterwegs waren, verging die Zeit wie im Flug. Wir unterhielten uns, hörten lautstark Musik und brüllten die Texte mit, auch wenn einer von uns schiefer sang als der nächste.

Ich vergaß sogar fast, wie sehr ich Sue bereits jetzt vermisste. So ein Wochenende konnte sich für frisch Verliebte wie eine Ewigkeit anfühlen, aber meinen jährlichen Campingtrip mit Mike und Giwedi wollte ich um nichts in der Welt verpassen.

Als wir den kleinen Waldparkplatz erreichten, schallte noch immer laute Musik aus dem Radio. Aber das störte wohl niemanden. Wie immer um diese Jahreszeit war Giwedis kleiner PKW das einzige Auto auf dem Parkplatz. Wir fühlten uns, als gehörte der Wald uns ganz allein. Und so schaltete Giwedi das Radio erst aus, als wir unsere Rucksäcke, die drei Klappstühle und das Bier aus dem Auto geholt hatten.

Plötzlich war es ganz still um uns herum. Als das laute Knallen der Fahrertür und dessen Echo, das noch einen Moment durch den Wald gehallt war, verstummt waren, hörten wir kein einziges Geräusch mehr. Keinen Wind, der durch die Bäume fegte, kein knirschender Schnee, keine knackenden Äste. Es sang nicht einmal ein Vogel. Es war, als hätte man die Zeit um uns herum angehalten – und genau das liebte ich an unseren winterlichen Campingtouren.

„Dann lasst uns mal“, durchbrach Mike die Stille. „Ohne Feuer wird es nicht wärmer.“

Er hatte Recht. Es war wirklich verdammt kalt. Wir schulterten unsere Rucksäcke, ich nahm den Kasten Bier und meine Freunde trugen die Campingstühle. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg.

Schnee knirschte unter unseren Schuhen. Wir zelteten jedes Jahr an derselben Stelle. Die Lichtung war keine fünf Minuten Fußweg entfernt. Im Sommer war sie ein beliebter Campingspot, aber im Winter gehörte sie uns allein. Nach einigen Metern blieb ich überrascht stehen. Ein süßlicher Gestank lag in der Luft.

„Riecht ihr das?“, fragte ich.

Giwedi und Mike blieben stehen und schnupperten.

„Irgendein totes Tier“, sagte Giwedi schulterzuckend.

Damit war das Thema beendet. Immerhin war ein totes Tier in einem Wald nichts Ungewöhnliches. Als wir die Lichtung erreichten, hatte ich es bereits wieder vergessen.

Ich stellte den Kasten Bier etwas abseits in den Schnee, damit er schön kalt blieb. Dann machten Mike und ich uns daran, den Schnee wegzuschaufeln, um die Zelte aufzubauen, während Giwedi sich auf die Suche nach Feuerholz machte. Es mag klischeehaft klingen, aber Giwedi war der Einzige von uns, der auch bei Schnee keine Probleme mit dem Feuerholz hatte. Dafür waren Mike und ich mit den Zelten ein eingespieltes Team. Und so dauerte es nicht lange, bis unsere drei Zelte um ein prasselndes Feuer standen.

Erschöpft ließen wir uns in unsere Campingstühle fallen. Mike seufzte schwer. Es war aber kein ‚das Leben ist so anstrengend‘-Seufzen, sondern eher ein ‚das gemütliche Wochenende kann kommen‘-Seufzen. Ich konnte es voll und ganz nachvollziehen. Jeden Winter freute ich mich wie ein kleines Kind auf diese Campingtour. Ein Wochenende mit nichts als meinen besten Freunden, abseits der Zivilisation und der Probleme, die sie mit sich brachte.

Mike schaltete sein kleines Feldradio ein. Es lief ein Rocksender, den wir alle drei gerne hörten. Dann stand er auf und teilte eine Runde Bier aus.

„Auf euch“, sagte ich, während ich die Flasche in die Luft hielt.

„Auf uns“, erwiderten Giwedi und Mike wie aus einem Munde. Dann grinsten sie einander breit an.

Ich schüttelte bloß lachend den Kopf, bevor ich den ersten Schluck nahm. Kalt lief mir das Getränk die Speiseröhre hinunter. Ich fröstelte, doch das hielt mich nicht davon ab, weiterzutrinken.

Wir saßen schweigend da und lauschten der Rockmusik aus dem Radio. Ich hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um die langsam am dunkler werdenden Himmel auftauchenden Sterne zu beobachten. In ein, zwei Stunden würde der Sternenhimmel uns einen Anblick bieten, der mich jedes Jahr aufs Neue begeisterte. Noch ahnte ich ja nicht, was diesen Abend noch alles passieren würde.

„Ich muss mal pissen“, warf Mike in die Runde. Er stellte seine leere Bierflasche in den Kasten zurück, bevor er ein Stück in den Wald hineinging. Dann verlor ich ihn aus den Augen.

Giwedi und ich saßen weiter da und lauschten der Musik, während wir gedankenverloren ins Feuer starrten.

Plötzlich hörte ich Mike in der Ferne rufen: „Leute? Das müsst ihr euch ansehen!“

Giwedi sah mich mit gerunzelter Stirn an. Was wollte Mike?

„Wenn wir jetzt aufstehen, nur weil er seinen Namen in den Schnee …“, weiter kam ich nicht.

„Blut!“, rief Mike lauter. „Hier sind Fußspuren und Blut!“

Ich sprang sofort auf. Blut? „Wenn das irgendein dummer Scherz ist …“, mahnte ich. Aber auch wenn Horrorgeschichten bei unseren Campingausflügen durchaus Tradition hatten, erzählten wir sie normalerweise am Lagerfeuer.

Als ich gerade losgehen wollte, ertönte ein gellender Schrei aus dem Wald.

„Mike?“, brüllten Giwedi und ich wie aus einem Munde.

Aber anstatt loszulaufen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Meine Beine waren starr vor Angst. Giwedi war mutiger. Er holte seine Taschenlampe aus dem Rucksack und leuchtete in den Wald hinein. Zwischen den Bäumen stand eine Gestalt.

Giwedi erkannte ihn zuerst. „Mike?“, fragte er, während er vorsichtig auf ihn zuging. „Alles in Ordnung?“

Mike stieß einen weiteren Schrei aus. Diesmal klang er jedoch eher wütend als panisch. Mit Gebrüll stürzte er sich auf Giwedi, riss ihn unsanft zu Boden und rammte seine Zähne in den schützenden Arm, den Giwedi vor sich hielt.

„Mike! Bist du bescheuert?! Du tust mir weh!“, brüllte Giwedi ihn an.

Ich stand noch immer reglos daneben, wusste nicht, was ich tun sollte. Noch war ich nicht sicher, ob es kein dämlicher Scherz war. Andererseits würde Mike dabei niemals so weit gehen.

Das Blut, das jetzt Giwedis Arm hinab lief, war Bestätigung genug für mich. Ohne zu zögern, schnappte ich mir den kleinen Kochtopf, der neben dem Feuer stand, rannte zu meinen Freunden und knallte ihn Mike mit voller Wucht an die Schläfe.

Das ‚Dong‘, das dabei ertönte, hallte noch eine Weile in nach. Meine Hand tat weh, ich ließ den Topf jedoch erst los, als ich sah, dass Mike benommen im Schnee liegen blieb. Scheinbar hatte ich ihn ausgeknockt.

Giwedi krabbelte panisch rückwärts. „Scheiße, was war das gerade?“, stieß er aus, während ich ihm auf die Beine half.

Wir machten uns sofort daran, Mike zu fesseln, bevor er wieder zu Bewusstsein kommen konnte. Dann kümmerten wir uns um Giwedis Wunde. Man konnte einen blutigen Abdruck jedes einzelnen Zahns auf seinem Unterarm erkennen.

Ich spürte, wie ich noch immer unter Schock stand, während mein Hirn nach einer plausiblen Erklärung für all das suchte. Es gab eine Erklärung, aber …

Mein Mund fühlte sich trocken an, während ich ihn öffnete. Ich zögerte, bevor ich sprach. „Denkst du … Mike ist ein Zombie?“, fragte ich.

Giwedi sah mich mit großen Augen an. „Lucas, sei nicht albern!“

Ich biss mir auf die Unterlippe. „Na ja … vorhin hat es nach Verwesung gerochen, dann hat Mike Fußspuren und Blut gefunden und jetzt hat er dich …“ Mein Blick wanderte zu dem Verband um Giwedis Arm. Würde er sich auch verwandeln? Was sonst hätte Mike dazu bewegen können, Giwedi anzugreifen?

„A-ach Quatsch. Es gibt keine Zombies!“, erwiderte Giwedi. Seine Stimme zitterte jedoch, während er sprach.

Da wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten, trug ich Mikes bewusstlosen Körper zum Feuer, um ihn zu untersuchen, währen Giwedi die Umgebung im Auge behielt. Ich fand nichts außer der Wunde am Kopf, die ich zu verschulden hatte.

„Alles gut“, sagte ich erleichtert. „Keine Kratzer oder Bissspuren. Mike ist kein Zombie.“

Giwedi sah erleichtert aus, ließ den umliegenden Wald jedoch nicht lange aus den Augen. Wahrscheinlich dachte er dasselbe wie ich: Wenn Mike kein Zombie war, wieso hatte er ihn dann angegriffen? Er war einer der friedfertigsten Menschen, die ich kannte.

„Hilfe! Hilfeee!“, ertönten plötzlich Schreie aus der Richtung, aus der auch Mike gekommen war. Das Seltsame dabei war: Das war Mikes Stimme!

Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang ich auf. Ich wollte bereits lossprinten, als Giwedi mich am Arm packte. „Nicht“, sagte er schnell. „Das ist nicht Mike. Mike liegt hier vor uns.“

Da hatte er recht. Wieder biss ich mir auf die Lippe. Ich kam mir völlig hilflos vor. Was zur Hölle war hier nur los?

An Giwedis angestrengtem Gesichtsausdruck sah ich, dass er fieberhaft nachdachte. Dann schien irgendetwas Klick zu machen. Auf einen Schlag wurde Giwedis Gesicht blass, während seine Augen sich weiteten. „Wir müssen hier weg“, sagte er leise.

„Was?“

„Wir müssen hier weg!“, wiederholte er lauter. „Lass alles liegen. Wir müssen zum Auto!“

Ich wusste nicht, was los war, aber wenn Giwedi etwas befahl, widersprach ich nur selten. Also packte ich Mike und warf ihn mir über die Schulter. Er stöhnte, als hätte er Schmerzen, blieb ansonsten aber reglos.

„Nein“, sagte Giwedi sofort. „Wir schaffen es nicht, wenn du ihn trägst … wir … wir müssen ihn hierlassen!“

Ich wollte protestieren. Ich ließ meine Freunde nicht zurück! Aber der Ausdruck in Giwedis Augen raubte mir jegliche Widerworte. Er hatte panische Angst.

„Was ist denn los?“, fragte ich, während wir Mike in ein Zelt brachten.

„Ich glaube, das ist ein Wendigo“, erklärte Giwedi, während er Mikes Fesseln löste. „Ein böser Geist, von dem mein Vater mir einmal erzählt hat.“

„Ein Geist? Aber Zombies sind Quatsch?“, fragte ich verzweifelt. Das konnte nicht sein Ernst sein.

Während wir Mike hastig in eine Decke wickelten, erklärte Giwedi weiter: „Wendigowak stinken nach Verwesung. Sie hinterlassen blutige Fußabdrücke und können Stimmen imitieren. Außerdem können sie Menschen dazu bringen, ihre Freunde zu essen. Sag du mir, wonach das klingt!“

Es klang nach Wahnsinn. Ein böser Geist … Andererseits hatte er recht: Es passte. Und es war auch nicht unrealistischer als meine Zombie-Theorie.

Nachdem wir Mike warm genug eingewickelt hatten, beugte ich mich zu ihm. „Wir kommen dich morgen abholen. Versprochen“, flüsterte ich mit trockenem Hals. Dann verließ ich das Zelt. Ich hoffte inständig, dass er die Nacht unbeschadet überstehen würde.

Draußen hielt Giwedi mir den Autoschlüssel entgegen. „Du bist schneller als ich. Falls du mich abhängst, starte den Motor und warte im Auto auf mich!“, befahl er.

Wir rannten sofort los. Den Schlüssel hielt ich fest umklammert in meiner Hand.

Der Mond und die Sterne waren jetzt unsere einzige Lichtquelle. Zum Glück waren sie hell genug, um uns den Weg zu leuchten.

Nach einigen Metern verlangsamten wir unsere Schritte bereits wieder. Vor uns im Schnee, der wegen der Dunkelheit eine leicht gräuliche Farbe angenommen hatte, prangten unnatürlich große Fußspuren. Sie sahen menschlich aus, waren aber fast dreimal so groß wie meine eigenen und mit Blut gefüllt.

Giwedi und ich sahen uns nur stumm an. Uns beiden fehlten die Worte. Was auch immer dieses Wesen war, ob Wendigo oder etwas anderes, es musste uns verfolgt haben, als wir zur Lichtung gegangen waren. Jedenfalls führten die Spuren auf direktem Weg Richtung Auto.

Der Schnee knirschte unter unseren Schuhen, während mir eiskalte Luft ins Gesicht schlug. Gelegentlich knackte und raschelte es hinter mir. Ich betete, dass es nur Giwedi war, der mir folgte. Ansonsten hörte ich nur unseren schnellen Atem.

„Beeilung! Wir haben es gleich geschafft!“, rief ich, ohne nach hinten zu sehen. Das war gelogen. Giwedi würde genauso gut wie ich wissen, dass wir gerade einmal die Hälfte der Strecke hinter uns hatten. Aber beim Sport hatte mir solches Anfeuern immer geholfen.

Ein plötzlicher Aufschrei ließ mich herumwirbeln. „Giwedi!“, brüllte ich.

Mit Entsetzen starrte ich ein gigantisches Wesen an, das Giwedi am Arm packte und wie eine Puppe hochhob – eine zappelnde, kreischende Puppe. Der Wendigo sah fast menschlich aus, war aber locker fünf Meter groß und hatte unnatürlich dünne Gliedmaßen.

Obwohl ich panische Angst hatte, setzte ich zu einem Sprint an. Ich wollte auf das Ding zurennen, um sein Bein wegzutackeln, ihn anzugreifen, damit der Giwedi losließ. Aber es war zu spät. Ich konnte nur mit ansehen, wie er im Licht des Mondscheins seinen großen Mund um Giwedis Oberkörper legte und zubiss. Blut spritzte in alle Richtungen, während ein scheußliches Knirschen ertönte. Im selben Moment erstarben Giwedis Schreie. Er hörte auf, sich zu wehren.

Mein Magen drehte sich um. Tränen schossen mir in die Augen. Trotzdem wollte ich nicht aufgeben. Ich schämte mich für den Gedanken, aber vielleicht verschaffte Giwedis Tod mir genug Zeit.

So schnell ich konnte, hetzte ich durch den Wald. In meinem Kopf hallte das fürchterliche Knirschen von Giwedis Brustkorb noch immer nach. Trotzdem versuchte ich, auf jedes Geräusch um mich herum zu achten. Abgesehen von meinen Schritten und einem aufgescheuchten Tier, das panisch flüchtete, war es totenstill. Sollte der Wendigo mich tatsächlich verfolgen, machte er dabei kein einziges Geräusch.

Inzwischen war ich fast beim Auto. Ich musste nur noch zwischen zwei dünnen Baumstämmen hindurch, dann war ich auf dem Parkplatz! Aber noch ehe ich die Baumstämme erreicht hatte, blieb ich erschrocken stehen. Der Geruch nach Verwesung lag in der Luft. Noch viel intensiver als vorhin. Und dann sah ich es: Die beiden Baumstämme bewegten sich.

Jetzt erkannte ich auch die seltsam gelbliche Farbe und die fehlende Maserung der Rinde. Das waren keine Bäume!

Als der Wendigo sich zu mir herabbeugte, stolperte ich rückwärts. Ich versuchte umzudrehen, von ihm wegzulaufen, aber seine Hand hatte mich bereits erreicht. Wie zuvor Giwedi packte er mich am Arm. Er drückte so doll zu, dass es wehtat. Dann verlor ich den Boden unter den Füßen.

Panisch schrie ich auf. Ich schlug mit voller Kraft wieder und wieder auf seinen Arm ein, trat mit den Füßen nach seinem Oberkörper, aber er schien es nicht einmal zu bemerken.

Eisern hielten seine knöchernen Finger mich fest. Ich konnte seine Rippen sehen und seine Schlüsselbeine, die deutlich unter der Haut hervortraten. Er war völlig abgemagert. Als ich mich seinem Kopf näherte, konnte ich zwei tiefsitzende Augen sehen, die mich kalt anstarrten. Schließlich sah ich seine Zähne. Gelb und spitz. Ein Speichelfaden lief aus seinem Mund.

Während ich die Augen schloss, spürte ich, wie Tränen meine Wangen hinab liefen. Ich versuchte, an etwas Schönes zu denken. Meine Gedanken wanderten zu Sue. Vorhin war ich noch traurig, dass meine Freundin unbedingt zu Hause bleiben wollte, aber jetzt war ich einfach nur froh, dass sie nicht mitgekommen ist.

Das letzte, was ich spürte, war, wie sich scharfe Zähne in mein Fleisch senkten. Dann wurde alles Dunkel.

Bleibt auf dem Neusten Stand und folgt mir auf:

Der Wendigo – Er lauert im Wald - Geister und Legenden (1) Der Wendigo – Er lauert im Wald - Geister und Legenden (2) Der Wendigo – Er lauert im Wald - Geister und Legenden (3)

Die Legende:

Der Wendigo (plural Wendigowak) ist ein kannibalistisches Wesen, ein böser Geist aus den Legenden vieler amerikanischer Ureinwohnerstämme, darunter die Ojibwa, Cree, Saulteaux, Naskapi und Innu.

Aussehen:

Wendigowak sehen extrem abgemagert aus. Oft werden sie als Skelette, die mit Haut überspannt sind und tief im Schädel sitzende Augen haben, beschrieben.

Ihre Haut hat eine ungesunde Farbe. Sie soll gelblich sein oder mit schwarzen, an Verwesung erinnernden Flecken übersät sein.

Und auch ihre spitzen Zähne, die in einem lippenlosen Mund sitzen, sollen eine gelbe Farbe haben.

In einigen Legenden wird der Wendigo außerdem als Riese beschrieben. Dort heißt es, dass ein Wendigo immer genau um die Masse wächst, die er frisst. Er wächst also, statt zuzunehmen, wodurch sein Hunger auf Menschenfleisch nie gestillt wird. Häufig wird Wendigowak daher eine Größe von bis zu fünf Metern nachgesagt.

Das typische Bild des Wendigo mit Fell und einem Geweih, das ihr vielleicht kennt, hat seinen Ursprung übrigens in einem Film, der nur lose an die tatsächliche Legende angelehnt ist. Trotzdem hat sich dieses falsche Aussehen durchgesetzt.

Eigenschaften:

Wendigowak sind perfekte Jäger und Spurenleser. Sie verfügen über verstärkte Sinne wie z. B. ein sehr gutes Gehör. Außerdem sollen sie übernatürlich schnell sein.

Es heißt, ein Wendigo könne dich kilometerweit verfolgen, ohne, dass du es bemerkst.

Außerdem haben Wendigowak, wie bereits erwähnt, einen unstillbaren Hunger auf Menschenfleisch.

Sollte man hingegen auf die Spur eines Wendigo treffen, ist sie oft leicht zu erkennen. Sie sollen nämlich blutige Fußabdrücke hinterlassen. Da Wendigowak häufig im Winter unterwegs sind, lassen sich die roten Abdrücke im Schnee besonders gut erkennen.

Eine etwas weniger offensichtliche Eigenschaft ist hingegen ihr Herz, das aus purem Eis bestehen soll. Wendigowak könnten also auf die Kälte angewiesen sein, um zu überleben.

Je nach Region und Stamm werden dem Wendigo aber noch weitere Fähigkeiten zugesagt. So kann er Stimmen imitieren, um Leute in die Falle zu locken, oder er soll Besitz von Menschen ergreifen können, wodurch diese selbst ihre engsten Freunde und ihre Familie angreifen und versuchen, sie zu essen. Sollte ihnen das gelingen, werden sie daraufhin oft selbst zu einem Wendigo.

In fast jedem Stamm haben die Wendigowak eines gemeinsam: Sie werden so gut wie immer mit dem Winter, Kälte, Hungersnöten, Gier und dem Verhungern in Verbindung gebracht.

Lebensraum:

Die Legenden über den Wendigo kommen aus Kanada und den USA. Dort sollen diese Wesen hauptsächlich bei kalten Jahreszeiten in den Wäldern gesichtet worden sein.

Ursprung:

Die Legende der Wendigowak ist wahrscheinlich aus der Angst vor der Kälte und Hungersnöten entstanden. Wie bei den meisten Indianerlegenden lässt sich der genaue Ursprung jedoch nicht mehr festlegen, da die Christen in der Vergangenheit ihr Möglichstes getan haben, um den Glauben und die damit verbundenen Legenden der Indianerstämme zu zerstören.

Dafür gibt es mehrere Legenden, wie die Wendigowak entstehen sollen. In den meisten Fällen drehen sie sich um eine Gruppe indianischer Jäger, die sich im Winter im Wald verirrt hat. Sie irren oft tagelang ziellos durch die Kälte, finden nicht genug Nahrung, sodass sie der Reihe nach sterben. Einer von ihnen ist daraufhin so verzweifelt, dass er dem Kannibalismus verfällt, um zu überleben.

Kannibalismus ist in den meisten Indianerstämmen jedoch eines der schlimmsten Verbrechen, egal, aus welchen Gründen er begangen wurde. Also haben die Geister den Jäger bestraft, auf ewig dazu verdammt, durch die Wälder zu streifen – mit einem unstillbaren Hunger auf Menschenfleisch.

Was haltet ihr von dem Wendigo? Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr einem begegnet? Und noch viel wichtiger? Was wäre, wenn ein Wendigo Besitz von einem engen Freund, eurer Geliebten/eurem Geliebten oder gar einem eurer Familienmitglieder ergreifen würde? Würdet ihr euch zutrauen, ihnen Schaden zuzufügen, um euch zu verteidigen? Scheibt es in die Kommentare!

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